Einleitung

Reliefdarstellung der Glücksgöttin FortunaEupen - Das steinerne Gedächtnis
Buchumschlag
Buchumschlag

Der Mensch hat den Bannkreis der Unmittelbarkeit, in dem das Tier mit seinen spontanen Sinnessuggestionen und Sofortreaktionen gefangen bleibt, verlassen und schafft sich seine Welt. Er schafft Kulturen, und die Kulturwelt ist die menschliche Welt.

Ruth Benedict (1887-1948)
US-amerikanische Anthropologin

Das Prinzip der Heraldik1 ist psychologischer Natur, universell und so alt wie die Gesellschaft selbst. Es wurzelt in dem Bedürfnis des Einzelnen oder der Gemeinschaft, seine Persönlichkeit nach außen hin auszudrücken. Es führt dazu, dass ein Mensch unter Seinesgleichen, eine Körperschaft von Bürgern im Staate, ein Volk inmitten der Gemeinschaft der Nationen, ihr Dasein durch fassbare Zeichen, die sie überleben sollen, zu bekunden lieben. Dieses Zeichen, das sie sich wählen, diese Unterschrift, die sie sich zulegen, dieses Bild, das sie von sich zeichnen, fassen oft ihre Wesenszüge zusammen, so wie sie sind oder sein sollen; doch sie sind in jedem Falle eine Darstellung ihrer Persönlichkeit. Es sind die Symbole ihres Seins.

Die Höhlenmalereien von Lascaux, die Menhire von Wéris, die ältesten chinesischen Inschriften von Shanghai sind solche Ausdrücke menschlichen Kulturschaffens. Gerade im Stein hat der Mensch, von den ägyptischen Pyramiden und Tempeln bis hin zu den geheimnisvollen Statuen der Osterinsel, die Gelegenheit erblickt, sich immer und überall zu verewigen.

So auch in unserer Heimatstadt Eupen. Architekten und Kunsthistoriker sind sich einig, dass Maurer und Künstler Großartiges vollbracht haben. Straßen und Plätze sind geziert von prachtvollen Zeugnissen vergangener Jahrhunderte. Sie tragen an ihren Fassaden und zuweilen auch in ihrem Inneren greifbare Spuren ihrer Auftraggeber. Sie sind das steinerne Gedächtnis Eupens.

Auf Wappentour durch Eupen

Reliefdarstellung der Glücksgöttin Fortuna
Reliefdarstellung der Glücksgöttin Fortuna

Wappen sind farbige Abbildungen, die ihren Ursprung in den mittelalterli­chen Schilden haben und besonderen Regeln unterliegen. Sie stellen sowohl Einzelpersonen und Familien als auch Gebietskörperschaften dar und sind mit geschichtlichem oder symbolhaftem Werte beladen. Auch in der Stadt Eupen sind mancherorts Wappen in der Öffentlichkeit anzutreffen, doch sind sie heutzutage meistens in Vergessenheit geraten. Das Anliegen dieses Stadt­führers ist es, den Blick auf diese Darstellungen zu lenken und einen kurzen Blick auf ihren verborgenen Sinn zu werfen. In der Tat sind diese symbol­haften Abbildungen die Schlüssel zu bemerkenswertem Hintergrundwissen, das sich ansonsten dem Betrachter verschließt. Wir belassen es bei den eigentlichen Wappen und gehen nicht auf andere Abbildungen wie Keilsteine und Inschriften ein. Dieses Buch soll nicht als ein tiefschürfendes Geschichts­werk verstanden werden, sondern als eine Art Führer zu einem lockeren heral­dischen Spaziergang durch die Weserstadt Eupen.

Wessen Neugier durch ein Detail geweckt worden ist, wird hier reiche Auskunft finden, die das jeweilige Objekt in den breiteren kulturhistorischen Rahmen versetzt.

Auf den Spuren der Grand-Ry

Enge Bande verflechten die Familie von Grand Ry mit den Geschicken der Stadt Eupen. Sie hat hier zahlreiche Spuren hinterlassen, die sich dem Betrachter oftmals noch in voller Pracht darbieten. Dies ist in der katholi­schen St. Nikolaus-Pfarrkirche besonders augenfällig. Man kann ohne Über­treibung behaupten, dass das Stadtbild ohne das Zutun der Grand Ry merk­lich ärmer ausfiele.

Die Fülle ihrer architektonischen Hinterlassenschaft veranlasst uns, auch die­sen Spuren nachzugehen und ein Wort zu den jeweiligen Orten zu sagen. An dieser Stelle sind wir ganz besonders Herrn Pierre de Grand Ry, Chaumont-Gistoux, zu Dank verpflichtet, der uns seine Forschungsarbeit unentgeltlich zur Verfügung stellte. Mehrere Jahre hat er in Büchereien, privaten und öffentlichen Archiven sowie mit Ortsbesichtigungen verbracht.

Der Wanderer kann also das Stadtgebiet sowohl auf Wappentour als auch auf den Spuren der Grand Ry durchstreifen. Mehrfach überschneiden sich die Wege, so dass immer neue Routen beschritten werden können.

1 Wappenkunde

© GEV (Grenz-Echo Verlag), Eupen (B), 2014
www.gev.be
[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-86712-094-4
D/2014/3071/11 

Fotos: Guido Bertemes (S. 8-9, 16, 25, 31, 32, 33, 38; 43, 46-47, 50, 51, 52, 54-55, 62-63, 65, 72, 73, 81, 84, 86, 94, 95, 97, 101, 103, 104, 105, 106, 107);
B. Bastin Fotos S. 69. Alle anderen Fotos stammen vom Autor.

Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, diese Publikation oder Teile daraus auf fotomechanischem (Druck, Fotokopie, Mikrofilm, usw.) oder elektronischem Weg zu vervielfältigen, zu veröffentlichen oder zu speichern.

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