Magischer Zauber an den Hügelhängen über dem historischen Herzen Lüttichs

Tausende Kerzen, Musik und Straßentheater beim Lichterfest

Nocturne des Coteaux
© FTPL Patrice Fagnoul

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren vollzieht die Maasmetropole Lüttich eine regelrechte Renaissance, die noch lange nicht zu Ende ist. Vor den spektakulären Prestigebauten wie dem Calatrava-Bahnhof, der Mediacité oder zuletzt 2016 dem neuen Museum der Schönen Künste La Boverie war es zu Beginn dieser Ära das historische Viertel unterhalb des Hügels der ehemaligen Zitadelle, die heute ein Krankenhaus ist, das wunderschön restauriert wurde. Die Viertel sind ganz entzückend wieder herausgeputzt worden.

Die Crème de la Crème der alten Lütticher Monumente auf engstem Raum stellt ein kulturhistorisches Potential dar, wie es nur wenige vergleichbare Städte zu bieten haben. Hier, zwischen Fürstbischöflichem Palast, Place du Marché mit dem Rathaus „La Violette“ (1714 - 1718), der Rue Hors-Château unterhalb des Zitadellenhügels, dem Parc Saint-Léonard und den Maas-Quais konzentriert sich Lüttichs historisches Herz.

Auf dem Platz vor dem Rathaus steht das Wahrzeichen Lüttichs, der Perron-Brunnen, Zeugnis und Symbol für die bürgerliche Freiheit. Am Ende des Platzes links ab verläuft die Straße direkt auf ein Musterbeispiel maasländischen Stils zu mit lupenreinen Fassaden und einem Bilderbuch-Innenhof mit Säulengängen und moderner Glasgalerie – das Wallonische Museum für Volkskunde – früher ein Minoritenkloster.

Man befindet sich nun in der Rue Hors Château, einem der schönsten Straßenzüge des alten Lüttich mit vielen traditionellen Häusern und Torbögen, durch die früher die Pferdewagen einfuhren. Ein Hingucker ist auch die leuchtend rot-weiße Farbe der Gebäude in der maasländischen Baukunst, in der das Curtius-Haus mit der vollkommen restaurierten Kirche St. Barthélemy mit dem berühmten Taufbecken um die Wette zu eifern scheint. St. Barthélemys romanische Westfassade mit den beiden Türmen wiederum spiegelt ihr Rot in der Glasfront des Eingangs zu Lüttichs Kulturinstitution, dem Grand Curtius Museum. Das Museum präsentiert Sammlungen von Weltrang auf 5.000 qm (Waffen, religiöse Kunst, Glaskunst, dekorative Kunst und Archäologie). Es entstand eine Symbiose aus eleganter Neoklassik und Klassizistik mit moderner Museumsarchitektur wie im Hôtel de Hayme de Bomal, das in den Curtiuskomplex integriert wurde.

Wer durch diese Straßen, Gassen und Höfe schlendert, abseits des Großstadttrubels, dem schlägt keine Stunde. Hier kann Lüttich sich wirklich sehen lassen. Ganz besonders stimmungsvoll kommt das zum Ausdruck beim jährlichen Lichterfest. Dann untermalt das Licht von mehr als 20.000 Kerzen, die Musik zahlreicher Konzerte und die Couleur der Straßentheater Lüttichs historisches Quartier. Höhepunkt ist das Feuerwerk um 23.30 Uhr.

Immer am ersten Samstag im Oktober
Seit 23 Jahren findet dieses rauschende Fest jeden ersten Samstag im Oktober statt. In den Straßen, auf den Höfen, auf Treppen und Terrassen, in Gassen und Hohlwegen, auf Wiesen und in Obstgärten spielt sich ein wallonisches Theater voller warmherziger Lebensfreude ab. An vielen Orten, die sonst nicht zugänglich sind, wird tüchtig gefeiert. Märchenhafte Beleuchtung begleitet einen auf den verschiedenen Spazierwegen hinauf zur Zitadelle. Eng, gespenstig, alt, in fackelnden Schein tausender tanzender Lichter getaucht. Lichtspiele aus verschiedenen Quellen beleuchten Waldstücke, Gärten, Grünflächen, Fassaden und Gebäude. Musik und stimmungsvoller Reigen erfüllen diese Oktobernacht in Lüttich.

Die Hügelhänge der Zitadelle und das historische Herz beherbergen 60 Monumente und fünf unter Denkmalschutz stehende Stadt- und Naturbereiche. Allesamt Zeugnisse der Landschaft des alten Lüttich, von der 28 Hektar Grünfläche hier erhalten geblieben sind. Mittendrin erstrahlen die 374 Stufen der Buerentreppe unter einem Meer von Kerzen. Lichtergirlanden und Scheinwerfer tauchen den wunderschönen Platz Saint- Barthélemy mit der Stiftskirche in eine unvergleichliche Atmosphäre, lassen die Pracht der Stadt in der Nacht erblühen. Man kann Lüttich auf spektakuläre Weise von hoch oben an den Aussichtspunkten der Zitadelle betrachten, die Silhouetten der Dächer über die Maas hinweg bis hin zum Calatrava-Bahnhof, dem Alliierten Memorial in Cointe und dem höchsten Turm der Wallonie, dem Tour Paradis, verfolgen. Lüttich, die feurige Stadt, leuchtet prächtig. Dieser Blick ist nicht nur beim Lichterfest phänomenal. Er gehört zu den tollsten Erlebnissen in der Maasstadt überhaupt.

Die Treppe der Soldaten
Das historische Viertel hält so manche Kuriosität bereit wie die kleinen Gassen, die sogenannten “Impasses” und die Pfade zum Zitadellenhügel hinauf wie der Sentier Terrasses und die Impasse des Ursulines, die unterhalb der Buerentreppe linkerhand abgehen. Oder die Rue Pierreuse, die wunderschön restauriert, immer mehr “Montmartre-Züge” annimmt.

Mittendrin im Geschehen, wie der Aufstieg zum Olymp, die Buerentreppe, eine Lütticher Institution. Mancher wird sich fragen, warum es diese einzigartige Treppenstraße überhaupt gibt? Erbaut wurde sie 1880 aus einem originellen Grund. Die Militärs aus der Zitadelle gingen abends über die Rue Pierreuse in die Stadt hinunter und kehrten auf dem Weg dorthin in diverse “beuglants” (Etablissements) ein, was meistens in Krawall und Prügeleien endete. Die Stadt wollte dem Trubel Einhalt gebieten und ließ die Buerentreppe als direkte Ausweichstraße bauen. Fortan nahmen die Soldaten diese Treppe hinunter zum La Batte. Die 373 Stufen haben es mit einer Steigung von 40 % in sich. Benannt ist die Treppe aber nach Capitaine Vincent de Bueren, der sich im Kampf gegen den Lüttich-Belagerer Karl den Kühnen von Burgund an diesem Ort verdient gemacht hatte, allerdings schon 400 Jahre vor dem Bau der Treppe.

Es gibt fünf verschiedene Wege über Pfade und Treppen hinauf zur Zitadelle.

Die Terrasses des Minimes et des Chevaliers Teutoniques (Terrassen der Minoriten und des Deutschen Ritterordens): Steintreppen, Waldpfade, begraste Terrassen – ¾ Std.
Ausgangsort: Rue du Palais, 58.

Volière – Favechamps: Pflasterstraßen und Pfade – ¾ Std.
Ausgangsort: Ferme de la Vache, rue Pierreuse, 113 oder Rue Volière, neben der Kapelle Saint-Roch.

Die Boulevards zur Zitadelle: Asphalt- und Pflasterstraßen, gepflasterte Pfade im Bois des Carmélites – verschiedene Wanderwege – 1.30 Std.

Le Sentier des Moutons (Der Schafspfad): ausnahmsweise geöffnet. Einwegverkehr. Sportliche, zirka 500 m lange Strecke entlang eines steil ansteigenden und abfallenden Pfades. Gute Schuhe und Taschenlampe sind hier zweckmäßig – 1 Std.
Ausgangsort: Stiftskirche Saint-Barthélemy, Hors Château, 31.

Les Côteaux hors les murs: die neuen Naturwanderpfade auf den Hügelhängen von Vivegnis, außerhalb der Stadtmauern – zirka 1 Std.
Ausgangsort: Oberseite der Bois des Carmélites oder Rue du Baneux.

Praktische Infos:
Lichterfest am 7. Oktober 2017. Programm mit rund 50 Musikevents und Animationen ab 20 Uhr. 23.30 Uhr Feuerwerk.

Parken:
Kostenlose überwachte Parkplätze stehen zur Verfügung in der Regel an der Zitadelle und in Coronmeuse. Hin- und Rückfahrt mit kostenlosem Shuttle-Bus alle 10 Minuten von 19.30 Uhr bis 01.30 Uhr. Das detaillierte Programm sowie Angaben zur Anfahrt und zum Parken gibt es auf der Website des Veranstalters. Es wird empfohlen, sich dort aktuell zu informieren. www.lanocturnedescoteaux.eu

Hinweis:
Die Nocturnes in Lüttich sind sehr beliebt. Um nicht im Stau stecken zu bleiben, sollte man mit öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. im Laufe des Nachmittags am besten vor 16 Uhr anreisen

Von: Rolf Minderjahn

Am: 26.09.2017

In: KulturNews

Licherfest Lüttich

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